Die digitale Zukunft als Vorbild für eine ganze Handwerksgilde
Mit einem Kellerfund in Luxemburg und einem Glücksmoment auf der BAU in München fing alles an. Schauplatz Troisvierges, Luxemburg. Als Jean-Claude Dahner (40), Schlossermeister und CAD-Konstrukteur, seinerzeit bei Luxforge einstieg, lag greifbarer Mehrwert verstaubt im Keller: ein Faro-3D-Laserscanner, immerhin ein Investment im mittleren fünfstelligen Bereich. Dahner, heute KeyUser von Autodesk und PRO.FILE bei Luxforge, erinnert sich: „Für das Aufmaß vor Ort ist 3D-Laserscanning im Prinzip perfekt, das Potenzial war uns schon klar, allerdings konnten wir die damit gewonnenen Daten im alten CAD-System nicht auf, geschweige denn verarbeiten.“
Drei Monate testete Dahner deswegen ein alternatives 3D-CAD-System auf Laserscanning-Tauglichkeit, ohne durchschlagenden Erfolg. Bis er schließlich auf Empfehlung von Cideon das Autodesk Produkt ReCap einsetzte. Schnell war klar: „Mit den Punktewolken kann man wirklich arbeiten.“ Die Reality Capture-Software ist ein einfach zu bedienendes Tool aus der Product Design & Manufacturing Collection (PDMC), mit der sich intelligente 3D-Modelle aus Laserscan-Daten erzeugen und den CAD-Planungen als Referenz hinzufügen lassen. Verfügt ein Konstrukteur über ein 3D-Modell der tatsächlichen Einbauumgebung, kann er seine Ideen im Kontext zur Realität jederzeit validieren. „Damit war die Entscheidung für Autodesk quasi schon gefallen“, so Dahner.
Denn das Aufmaß ist für eine Schlosserei – gleich welcher Größe – der Dreh und Angelpunkt für die nach folgenden Aufgaben. Bei unzureichendem Aufmaß droht der Dominoeffekt: falsch dimensionierte Bauteile, frustrierte Monteure vor Ort, verärgerte Kundschaft, Nacharbeit, entgangene Marge. Jean-Claude Dahner: „Heute haben wir dank des digitalen Aufmaßes eine lückenlose Dokumentation der Ist-Situation beim Kunden.“
Aha-Effekt auf der BAU in München
Schauplatz Messe München, einige Monate später. Luxforge Chef Dirk Treinen (48) rückblickend: „Das war meine schönste BAU.“ Aufs iPhone hatten ihm die Kollegen aus Luxemburg einen alten Traum gespielt: eine Web-Konfigurator-App, erstellt mithilfe von Autodesk Configurator 360° aus der gerade eingeführten PDMC. Genutzt werden dafür Technologien und Dateiformate, die schon aus Autodesk Inventor geläufig sind.
„Ich war begeistert“, erinnert sich Treinen, „die App lief tatsächlich. Ich dachte mir immer, es muss doch möglich sein, dass Kunden einfache Geländersegmente, Fenstergitter oder vielleicht Vordächer in drei Klicks bei uns im Web bestellen und der Auftrag dann 1 Stunde später in der Produktion ist.“ Die Sache hatte nur einen Haken: „Der Unterbau fehlte.“ Konkret: eine nachhaltige, konsistente Datenbasis zum Betrieb nicht nur des Web-Konfigurators, sondern als Meilenstein auf dem Weg zu neuen digitalen Workflows. „Wir wollten auf eine zukunftsfähige Lösung setzen und tauschten uns mit Cideon aus: Die Empfehlung ging klar Richtung PDM von PROCAD, also PRO.FILE.“
„Ein Ansprechpartner für beides – perfekt“
Ralf Pressler, Unit Manager PRO.FILE Sales, erläutert: „PRO.FILE ist Multi-CAD und Multi-ERP-fähig und für die Ziele von Luxforge die ideale Lösung. Da wir wussten, dass Luxforge zumindest zeitweise noch mehrere CAD-Systeme einsetzt und eine ERP-Einführung plant, war PRO.FILE gesetzt.“
Die Kombination aus Autodesk PDMC und PRO.FILE, das mit jedem neuen Auftrag mit aktuellen Daten bestückt wird, sitzt, passt und hat Luft: „Schnelles Kopieren, schnelles Speichern und die Integration von PRO.FILE in Inventor ist genau das, was wir brauchen. Ich kann doch nicht drei Viertel der Zeit in der Datenverwaltung verlieren, das muss schnell gehen“, sagt Jean-Claude Dahner, der explizit auf den Support aus einer erfahrenen Hand verweist: „Ein Ansprechpartner für beide Lösungen – Autodesk und PRO.FILE – ist natürlich perfekt. Cideon kümmert sich um alles. Da können wir uns beim besten Willen nicht beklagen. Da wird schnell geholfen, auch wenn es um die Programmierung kleinerer Tools geht.“
Luxforge, Cideon, Centre de Compétences
Die Entscheidung für ein PDM zieht inzwischen weite Kreise bei Luxforge. Als Product Data Backbone tut PRO.FILE, was es tun soll: Produktdaten und Dokumente verwalten, lenken und verbinden. „Erste Kleinaufträge“, so Dirk Treinen, „konnten wir schon kurz nach der Einführung von Kalkulation und Aufmaß bis Arbeits vorbereitung und Produktion über PRO.FILE abwickeln.“ Intensive Schulungssequenzen durch Cideon Trainer waren dem vorausgegangen – die PDM-Ausbildung der Luxforge Crew wurde übrigens teilfinanziert vom Centre de Compétences. Die Einrichtung zur Wirtschaftsförderung begleitet Arbeitgeber und Arbeitnehmer in die digitale Zukunft Luxemburgs und kooperiert seit dem Luxforge Projekt – sichtlich angetan – auch mit Cideon.
Ein Plan – ein Weg: Die AV atmet auf
Heute ist PRO.FILE integraler Baustein jedes Auftrags bei Luxforge. Geht eine Anfrage ein, erstellt die Kalkulation ein Angebot. Kommt es zur Beauftragung, werden Projektleiter und Workflows definiert und die Dokumente erstmals in PRO.FILE abgelegt. Nach dem Aufmaß beim Kunden vor Ort mittels 3D-Laserscanning und einem de taillierten Kundeninterview nimmt der digitalphysische Workflow richtig Fahrt auf.
„Dann nämlich sind mindestens 90 Prozent aller Fragen geklärt, das Projekt in PRO.FILE wird freigeschaltet und die Konstruktion kann loslegen“, so Dahner. Dass nur noch eine schlüssige Datei durch die Abteilungen bei Luxforge geschleust wird, rechnet sich. Dirk Treinen merkt an: „Allein in der Arbeitsvorbereitung haben wir von Kantbank und Schneidanlage bis Büro vier Wege gespart. Die AV muss nicht ewig zwischen Zeichnungsbüro und Maschine hin und herlaufen, sondern hängt einfach die fertigen Pläne an die Wand. Es ist mehr Sicherheit reingekommen.“
Früher: 2 Wochen – heute: 6 Tage
Und natürlich mehr Effizienz. Betrug der Durchlauf für ein konventionelles Stahltreppenprojekt früher gut 10 Arbeitstage, ist es heute PDM-basiert binnen 6 Arbeitstagen bereit zur Montage. Dirk Treinen rechnet grob durch: „Beim Aufmaß vor Ort brauchen wir vier bis acht Scans à 3 bis 4 Minuten, dann 15 Stunden technische Zeichnung, es schließen sich Arbeitsvorbereitung, Kommissionierung etc. an, nochmals 2 Stunden Schneidzeit auf der Laserschneidanlage, schließlich die Produktion mit 5 bis 6 Stunden, Schweißen, Kanten, Sägen, Pulverbeschichtung und Qualitätskontrolle.“ Selbst die Organisation der Montageteams ist auf einem neuen Level angelangt.
„Die Zeichner sind happy“
Stichwort Büro. „Die Zeichner sind happy und super zufrieden mit der neuen Lösung“, meint Dahner das hat Gründe: „Früher waren alle relevanten Informationen in der grünen Projektmappe abgelegt, im Prinzip Zettelwirtschaft. Zwar existiert sie immer noch – wir fahren zweigleisig –, aber wenn der Projektleiter die Mappe beim Außeneinsatz dabei hat, kann die Zeichnung durch Zugriff auf den digitalen Projektordner im PDM trotzdem schon starten.“ Geschäftsführer Dirk Treinen ist zu sehr Pragmatiker („Automatisiert wird nur, wenn die Prozesse stehen“), um auf die grünen Projektmappen und die Bauteil-Dossiers in den blauen Ordnern bereits im ersten Anlauf komplett zu verzichten, gibt aber die Order aus: „Ordner kann, PDM muss!“ Denn nur was für jeden bei entsprechender Berechtigung immer und überall verfügbar, konsistent und nachvollziehbar dokumentiert ist, lässt sich auch wieder verwenden.
Neues Geschäftsfeld: 3D-Laserscanning
„Früher hatte selbst der Projektleiter nur unzureichend Einsicht in die Daten, keine PDFs zur Verfügung, musste DXFs manuell erzeugen, Freigaben und Revisionen waren ein Problem – heute nicht mehr“, zieht Dahner 1,5 Jahre nach dem Go-Live ein erstes Zwischenfazit. „PRO.FILE ist ein Universalwerkzeug, da ist wirklich alles drin, aber da muss man eben auch in drei Klicks hinkommen.“
Gut zu wissen: „Es geht natürlich“, lacht Dahner. Als Key-User bei Luxforge ist er es, der nach dem Train-the-Trainer-Prinzip von Cideon geschult wurde und nun wichtigster Multiplikator im Hause Luxforge ist. Ein bis zweimal monatlich trifft er die Kollegen, um die Fortschritte im Umgang mit PRO.FILE und der PDMC von Autodesk durchzugehen. Immerhin sind neben ReCap eben auch AutoCAD und Inventor sowie die Layoutlösung Factory Design ein großes Thema bei Luxforge. 3D-Laserscanning bietet Luxforge inzwischen auch als Dienstleistung an.
Die Chancen der Digitalisierung
Mehrwerte generieren – keine Floskel in Troisvierges. Wiederverwendung, Standardisierung und Automatisierung der Daten und Prozesse nehmen PDM-gestützt Kontur an. Das ist nicht nur betriebswirtschaftlichen Erwägungen in der Konstruktion von Luxforge geschuldet: „Hier um die Ecke gute Mitarbeiter zu finden, ist nahezu unmöglich“, sagt Dirk Treinen, „viele unserer Zeichner kommen aus der Montage, Top-Leute.“ Was aber, wenn die Prozesse auch aufgrund der Inventor Methodik Schulungen von Cideon dergestalt durchdigitalisiert sind, dass die technische Zeichnung mit wenigen KonfigurationsKlicks erledigt ist? „Ein Zukunftsszenario“, sagt Dirk Treinen, der mit seinem IT-Fundament aus Autodesk, PRO.FILE und der avisierten ERP-Einführung schon einen Masterplan geschmiedet hat: „Wir wollen als bestorganisiertes Unternehmen der Region für kleinere Schlossereien und Handwerksbetriebe zukünftig als Dienstleister tätig sein, sie in die digitale Zukunft begleiten.
Dann stellen wir die Berater, und das sind dann unter anderem unsere erfahrenen Leute aus der Konstruktion. Durchaus vorstellbar, dass wir das Aufmaß per 3DLaserscanning, die Konfiguration und auch die Produktion für kleinere Partnerbetriebe übernehmen und diese dann nur noch die Montage beim Kunden vor Ort ausführen.“ Aktuell erfolgt auch das Artikel- und Stücklistenhandling noch händisch. Im Hinblick auf eine ganzheitliche Lösung wird jedoch durch die bevorstehende Anbindung des ERP-Systems an PRO.FILE der Prozess des Artikel und Stücklistenhandlings automatisiert, um hier die Potenziale der Digitalisierung mit PRO.FILE voll umfänglich zu nutzen. Und der Web-Konfigurator, über den die Bestellungen in bestenfalls drei Klicks eingehen? „Wir sind aktuell noch bei 13 Klicks, ich denke in absehbarer Zeit sind wir so weit und unsere Kunden können die ersten Produkte mit nur drei Klicks übers Web bestellen“, schaut Treinen in die Zukunft.