Veränderliche Marktanforderungen, individualisierte Produkte mit enormer Variantenvielfalt und kürzer werdende Produktionszyklen stellen die Intralogistik vor große Herausforderungen. Fest installierten Handhabungs- und Transportsystemen fehlt es an der dafür nötigen Anpassungsfähigkeit. Für die voll vernetzte, automatisierte Produktion nach den Grundsätzen von Industrie 4.0 braucht es integrierte Transport- und Prozesslösungen mit intelligenter Steuerung, hoher Energieeffizienz, maximaler Flexibilität und höchster Verfügbarkeit.
Intelligente Prozessverkettung
Mit dem modularen Monoschienensystem montrac® bietet der deutsche Hersteller montratec GmbH neue Möglichkeiten, komplexe innerbetriebliche Transportaufgaben und Montageprozesse intelligenter, schneller und effizienter zu bewältigen. Das weltweit tätige Unternehmen mit Hauptsitz in Dauchingen (Baden-Württemberg) gehört seit 2023 zur US-amerikanischen Columbus McKinnon Corporation, schöpft jedoch aus langjähriger Kompetenz in Entwicklung und Produktion innovativer Intralogistik-Lösungen. Es wurde 2024 zum dritten Mal in Folge in einem wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahren als TOP 100-Innovator des deutschen Mittelstandes ausgezeichnet.
Das nach dem Baukastenprinzip aufgebaute Transfersystem montrac® basiert auf einem modularen, flexibel erweiterbaren Aluminium-Monoschienensystem. Auf diesem verkehren unterschiedliche Transport-Shuttletypen mit bis zu 70 kg Nutzlast stoßarm mit Geschwindigkeiten bis zu 55 m/min. Autonom angetrieben und gesteuert, finden diese eigenständig die optimale Route zum Transportziel, auch über unterschiedliche Transportebenen und unter der Decke.
Damit lassen sich Produktionsprozesse zwischen Robotern und Arbeitsplätzen hochflexibel verknüpfen und so unabhängig von der Losgröße die Automatisierung von Fertigungsprozessen maximieren. Es ist daher wenig überraschend, dass führende medizinische Einrichtungen sowie Industrieunternehmen u.a. aus der Automobil-, Kunststoff-, Konsumgüter-, Optik-, Lebensmittel-, Medizin- und Pharmaindustrie montrac® nutzen, um den Materialdurchsatz zu maximieren und die Zykluszeiten zu minimieren.
Medienbruch verzögert Implementierung
Mit Weichen, Kreuzungen, engen Radien und Liftelementen zum Verbinden von Arbeitsstationen auf mehreren Ebenen ermöglicht das flexible und platzsparende Transportsystem ein aufgabenspezifisches, kundenindividuelles Anlagenlayout. Dieses erstellen die montratec Fachplaner mittels des montrac® Konfigurators. Basierend auf einer handelsüblichen Anlagenplanungssoftware, ermöglicht dieser Planung, Visualisierung und Simulation des montrac® Anlagendesigns in 3D. Dabei lassen sich externe 3D-Daten, etwa von Maschinen oder Gebäudeteilen, importieren und berücksichtigen.
Obwohl diese Lösung zur Zufriedenheit aller Beteiligten funktioniert, hatte diese bis vor wenigen Jahren einen entscheidenden Nachteil. „Da keine Verbindung zu unserer PLM-Software bestand, mussten unsere Konstrukteure die fertige Konfiguration komplett nachbilden“, erklärt Matthias Magrian, Produktmanager bei montratec. „Um ihnen diese doppelte Tätigkeit zu ersparen und die damit einhergehenden Fehlerquellen zu eliminieren, wollten wir diesen Medienbruch beseitigen und die Datenübergabe automatisieren.“
Datendurchgängigkeit tut not
Für die mechanische Konstruktion (MCAD) verwendet montratec die Software SOLIDWORKS. Diese ist über SAP CAD Desktop mit dem ERP-System verbunden, in dem das Produktdatenmanagement erfolgt. Die Verwendung echter Konstruktionsdaten im Konfigurator würde diesen überfrachten, daher enthält dieser eigene Modelle aller montrac® Elemente.
„Wir suchten eine Lösung zur Übertragung aller in einer Konfiguration verbauten Elemente, Baugruppen und Unterbaugruppen nach SAP“, beschreibt Andreas Fröher, technischer Leiter bei montratec, die Aufgabenstellung. „Mittels der Materialnummern als Schlüssel sollten dort die CAD-Dateien automatisch aufgerufen und im CAD-System und ERP-System in ein Gesamtprojekt zusammengeführt werden.“
Nachdem die Suche nach einer Standardlösung erfolglos geblieben war, wandte sich Fröher an Cideon Software & Services. Der Softwaredienstleister mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen CAD, PDM/PLM, Schnittstellen sowie ERP-Integration und Prozessoptimierung aus der Friedhelm Loh Group hatte bereits die reibungslose Verbindung zwischen den CAD- und ERP-Systemen bei montratec geschaffen.
„Auch wir konnten zu diesem Zeitpunkt noch keine fertige Lösung aus der Schublade ziehen“, erklärt Daniel Hügel, Account Manager bei Cideon. „Allerdings waren im Zuge der Entwicklung von Cideon Conify im Cideon Conversion Engine Framework bereits viele Voraussetzungen geschaffen worden, auf denen wir aufbauen konnten.“ Cideon Conify sorgt als Schaltzentrale in Konfigurationsprozessen für konsistente Daten.
Herausfordernde Umsetzung
Der Weg zur Realisierung verlief nicht ohne Hürden. Zunächst entstand auf der Grundlage eines von Cideon ausgearbeiteten Vorkonzeptes ein Lastenheft, das von montratec mit einigen wesentlichen Umsetzungs-Meilensteinen versehen wurden. Bei dieser Gelegenheit zeigten sich auch bereits erste Herausforderungen.
Die für die visuelle Darstellung in der Anlagenplanungssoftware geschaffenen Modelle haben andere Koordinatenursprünge als die CAD-Modelle. Dies muss während der Übertragung korrigiert werden, ohne die Modelle zuvor in den Autorensystemen überarbeiten zu müssen. Zudem konnte für den Umstieg des abgekündigten SAP CAD Desktop auf das Nachfolgeprodukt SAP Engineering Control Center (SAP ECTR) kein Zeitpunkt fixiert werden. Deshalb musste die neue Lösung mit beiden Systemen kompatibel sein. „Die größte Hürde war die Tatsache, dass nicht für alle zu importierenden Teile vollständige Konstruktionsdatensätze vorlagen, auch weil diese oft erst bei erstmaligem konkretem Bedarf im Detail erstellt werden“, erinnert sich Ullrich Pohl, Principal Consultant bei Cideon.
In einem solchen Fall würde die Cideon Conversion Engine den Import üblicherweise als erfolglos abbrechen. „Bei montratec bestand jedoch die klare Forderung, den Import durchzuführen und die fehlenden Teile im Gesamtprojekt durch Platzhalter zu ersetzen.“ Das sollte den Konstrukteuren auch als schneller und leicht verständlicher Hinweis auf den Handlungsbedarf dienen.
Mehrstufige Lösung
Ein direkter Import der Daten aus dem Konfigurator war nicht möglich. Cideon realisierte daher innerhalb des Cideon Conversion Engine Framework eine mehrstufige Lösung. Dabei werden zunächst die Daten aus dem Konfigurator in Form einer JavaScript Object Notation (JSON)-Datei und einer Korrekturmatrix für die Lagebestimmung in ein Verzeichnis gespeichert, das vom Cideon RFC Server überwacht wird.
Dieser erstellt für die neu zu erstellende CAD-Baugruppe selbsttätig eine neuen Dokumentinfosatz (DIS) und legt die Datei dort als leere Baugruppendatei im SOLIDWORKS Format ab. Im zweiten Schritt lädt die Cideon Conversion Engine auf Basis der hinterlegten Materialnummern die vorhandenen DIS aus SAP, fügt die Originale (SOLIDWORKS Bauteile) ein, führt die Korrektur der Translationsmatrix durch und fügt für nicht gefundene DIS oder fehlende Originale (unter Beachtung des Status der Dokumente) die Platzhalter ein. Diese werden geometrisch als eine rote Kugel mit der Bezeichnung der fehlenden Komponente in der Baugruppe dargestellt. Abschließend erfolgt das Einchecken der so entstandenen CAD-Gesamtstruktur in das PLM-System.
Dazu musste erst ein Regelwerk erstellt werden, auf dessen Grundlage der Automatismus erkennen kann, welche Originaldateien in eine neue Baugruppe integriert werden dürfen und welche nicht. Zudem musste Cideon während des Projekts immer wieder auch neue Regeln umsetzen, etwa weil bei älteren Komponenten von den im Lastenheft vereinbarten Konventionen abweichende Dateinamen oder fehlende Attribute festgestellt wurden oder für Artikel aus verschiedenen Materialien pro Geometrie nur ein Konstruktionsdatensatz bei montratec bisher erstellt wurde. Solche Dinge fielen oft erst bei der Umsetzung auf, etwa wenn in den Ergebnisbaugruppen mehr Platzhalter zu finden waren als ausgeprägte Modelle.
Gemeinsam zum Automatisierungserfolg
In ständiger enger Abstimmung meisterten Cideon und montratec nicht nur diese Herausforderungen, sondern auch einige weitere. „Unseren Konstrukteuren steht kein hausinterner SAP Support zur Verfügung, wir mussten für Anpassungen in SAP stets auf unseren externen Dienstleister zurückgreifen“, nennt Andreas Fröher eine davon. „Zusätzlich gingen unser Umzug und der Eigentümerwechsel sowie der aufgrund unseres Erfolges sehr hohe Auftragsstand während der Umsetzungsphase zulasten der Ressourcenverfügbarkeit.“
Dennoch gelang die Implementierung der Automatisierungslösung für die Entwicklung kundenspezifischer montrac® Projekte innerhalb eines recht überschaubaren Zeitraumes. Einen maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg hatte die Bereitschaft aller Seiten, agil neue Wege zu gehen, statt strikt einem festen Plan zu folgen. „Die Cideon Lösung ermöglicht unseren Konstrukteuren, sich auf ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren, statt sich mit ungeliebten Tätigkeiten beschäftigen zu müssen“, bestätigt Andreas Fröher. „Zusätzlich reduziert sie ihren Stress, denn das Ausdetaillieren der einzelnen Konstruktionen kann ohne Zeitnot erfolgen.“
„Das ermöglicht uns, Kundenprojekte deutlich schneller abzuwickeln als bisher“, ergänzt Matthias Magrian. „Bei einem typischen größeren Projekt verringert sich der Zeitbedarf von mehreren Wochen auf wenige Tage.“ Das ist ein nicht unwesentlicher Wettbewerbsvorteil für montratec, ebenso wie der Umstand, dass zugleich ohne Mehraufwand eine vollständige, durchgängige Dokumentation über den gesamten Produktlebenszyklus der Anlagen mit voller Nachvollziehbarkeit entsteht.
Nachdem sich die Vorteile der Lösung so klar abzeichnen, plant montratec, diese auszubauen, etwa um die automatisierte Stücklistenerstellung, um den Automatisierungsgrad in der Anlagenplanung und -konstruktion weiter zu erhöhen.
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